Nudge your business

Nudging! Ein Wort in aller Munde seit unsere Kanzlerin drei Spezialisten im Kanzleramt angestellt hat, um nun auch die Deutschen sanft zu stupsen und nicht – unter der Last von Gesetzen und Geboten – zu drängen!

Wenn unsere Kanzlerin darin eine Möglichkeit sieht, warum sollten wir in unseren Unternehmen nicht genau dasselbe tun, und unsere Mitarbeiter zu mehr Motivation, mehr Effizienz, mehr Umsatz, mehr Gewinn stupsen anstatt mit Befehlen vor uns herzutreiben?

Also, was ist Nudging und wie auf unsere Unternehmenskultur anwenden und umsetzen – ohne zu manipulieren?

 

„Nudging“ wird in der Verhaltensökonomik der von Thaler und Sunstein in ihrem 2008 erschienen Buch („Nudge : Wie man kluge Entscheidungen anstößt“) geprägte Begriff bezeichnet, Menschen durch entsprechende Formulierungen oder Anreize sich so verhalten zu lassen, dass das Gemeinwohl vergrößert wird. Also sich so zu verhalten, dass das Ergebnis aus dem Verhalten für alle „besser“ sei. Unter dem Titel „Libertärer Paternalismus“ wurde diese Form der Beeinflussung bekannt gemacht. Interessant aus meiner Sicht ist dabei, dass mit libertär und paternalistisch einander eigentlich völlig gegensätzliche Begriffe miteinander kombiniert werden. Extrem freiheitlich contra autoritär, gängelnd, dominierend…

Zurück zum Nudging und seinen Möglichkeiten selbst. Bekannte Beispiele, wie Nudging eingesetzt werden kann sind:

  • Obst in der Kantine auf Augenhöhe platzieren, den Pudding dagegen eher zum Suchen nach hinten stellen.
  • Explizit die Organspendenbereitschaft ablehnen müssen, um aus dem Programm genommen zu werden.
  • Vom Stromversorger erfahren, wie viel weniger Strom der Nachbar verbraucht
  • Die Fliege (das Tor, die Zielscheibe etc.) im Pissoir.
  • Die Spiegel in der Kantine in denen zu sehen wäre, was man so alles Fettes in sich hineinsteckt.

Nudging all over!

Lucia Reisch, Professorin an der Copenhagen Business School: „Ein Nudge ist nur ein Anstoß, keine Anordnung; die Wahlfreiheit bleibt erhalten.“ Wenn dem so ist, dann ist das doch klasse mit dem Nudging! Warum sind dann so viele dagegen? Wieso denken dann andere, dass Nudging schlecht ist, den Menschen entmündigt? Ich habe dazu eine relativ einfache Antwort: Weil Nudging verdammt schnell für manipulative Zwecke missbraucht werden kann. Und es gibt eine weit verbreitete Eigenschaft des Menschen, die der Wahlfreiheit schlicht und einfach entgegensteht und der Manipulation in die Arme spielt: Unbewusstheit. Mit anderen Worten: Wir müssten uns nämlich ständig unserer Entscheidungen, unserer Handlungen und deren Folgen in jedem Moment bewusst sein. Und wer von uns ist das tatsächlich?

Und doch: Nudging hat aus meiner Perspektive etwas Positives, ja – ich bin geradezu ein Verfechter einer Form des Nudgings. Wir haben es nur nie so genannt. Und wir vertreten einen Grundsatz im Zusammenhang mit Nudging: Wir stehen dafür ein, dass ausschließlich so angestupst wird, dass der Gestupste tatsächlich die letzte Entscheidung trifft.

Unser Nudging heißt „Partizipative Führung“. Und unsere Philosophie „Denken in Möglichkeiten“. Worum geht es dabei? Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden; miteinander zu arbeiten; andere zu begeistern, mitzunehmen, zu motivieren; Kritik so zu äußern, dass sie die Sache betrifft und nicht persönlich wird; Konflikte gemeinsam zu lösen; Bedarfe auf den Tisch zu bekommen und Akzeptanz in allen Lagen zu generieren. Wir können das ganze Paket aufzählen, jeden einzelnen Schritt, jede Sequenz, jede Möglichkeit des Miteinanders im partizipativen Arbeitsleben beleuchten. Alles Nudges – alles Elemente, die beeinflussen sollen. Und alles immer unter dem Grundsatz: der andere hat und behält die bewusste Wahlfreit! Und der gemeinsame Belang steht im Vordergrund.

Unsere ganz bewusste Beeinflussung des Einzelnen und des Ganzen zum Wohle des Einzelnen und des Ganzen.

Und was ist neben der Bewusstheit, der Wahlfreiheit des Entscheidenden aus unserer Sicht noch eine weitere Voraussetzung, dass Nudging positiv besetzt werden kann, ist und bleibt? Der Nudgende muss eine positive Grundhaltung haben. Und zwar zu seinen Mitmenschen, seiner gesamten Umgebung, seinen Aufgaben und zu sich selbst.

Die Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang aus der Historie heraus im Bezug auf libertären Paternalismus aufzwängt, ist: Werden wir immer davon ausgehen können, dass dem so ist? Kann es nicht passieren, dass die Möglichkeiten des Nudgings plötzlich (wieder ein Mal) negativ, manipulativ missbraucht werden?

Die Frage lässt sich auch auf Unternehmen anwenden, die bewusst Mitarbeiter und Kunden (diese z.B. über die Werbung) stupsen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken stelle ich eine einfache These auf: Alle, wirklich alle im Unternehmen (dementsprechend auch im Staat) müssen mit der Philosophie des Nudgings und dessen Auswirkungen auf die (Unternehmens-) Kultur, der eingeforderten Prinzipien und Verhaltenskriterien und damit der praktischen Anwendung von Nudging vertraut gemacht werden, diese kennen und selbst auch anwenden können. Mit anderen Worten: alle müssen über alles Bescheid wissen. Jeder sollte also jedes Verhalten „durchschauen“ können. Und dann, und aus meiner Sicht nur dann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Nudging für etwas Positives, dem Einzelnen und der Gemeinschaft dienlichem verwendet wird, gegeben.

Und weil dieser Voraussetzung in Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Rechnung getragen werden kann, bin ich persönlich gegen Nudging des Gesetzgebers. Und gleichzeitig für das Training unserer Mitmenschen in unseren Unternehmen zum Wohle des Einzelnen und des Ganzen. Immer unter der Wahrung ... siehe oben!

So können wir dafür Sorge tragen, dass der Mensch in der Lage ist, für sich selbst zu entscheiden, was das Beste für ihn und die Gemeinschaft sein könnte. Auf dass es die besten Ideen seien, die da kommen!

Ach übrigens, dafür verantwortlich, wie in Ihrem Unternehmen mit Ihren Mitmenschen intern und extern umgegangen wird, ist am Schluss nur einer/eine Person! – Seien Sie sich darüber in all Ihren Entscheidungen bewusst – sonst kommt der Nudge und ....