Klartext ohne Fettnäpfchen

Die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück hat bisher vor allem der deutschen Sprache eine Bereicherung beschert: Ein „Steinbrück“ steht für eine Aussage, die man sagen kann und nicht sagen muss, einen klassischen Faux Pas eben.

Seit Anfang des Jahres agiert der SPD-Kanzlerkandidat nach der Devise: „Lieber einen guten Freund verlieren, als einen guten Spruch verschenken.“ Und da es sich bei Millionen von Wählern um potentielle gute Freunde handelt, ist diese Einstellung besonders gravierend. Egal, ob es um eine Anpassung der Bezüge des Kanzlers in unserer Republik geht, die Popularität von Angela Merkel („Frauenbonus“) oder um getrennten Sportunterricht für Jungen und Mädchen in Berlin, Steinbrück verschenkt keinen Spruch und die SPD landet in Umfragen bei 22%.

Und wieso regen sich manche darüber auf, dass Steinbrück Klartext redet? Ein Grund sich zu gewaltig zu ärgern ist für viele SPD-Wähler sicherlich das anhaltende Umfragetief. Und doch bemängeln wir gerne anderseits, dass politische Führer nie auf den Punkt kommen und sich schon gar nicht festlegen wollen.

Klarheit und konkrete Kommunikation sind zweifellos in Politik und Unternehmens-führung ein Muss. Sie geben allen Menschen Orientierung und Sicherheit. Man weiß eben, woran man ist. Wir alle kennen das aus eigener Erfahrung: Nichts ist schlimmer als ein Gegenüber, das stundenlang um den heißen Brei herumredet, während wir selbst schon längst wissen, wohin der Hase läuft. Oder eine Führungskraft, die zu lange zögert und sich nicht festlegen mag. Oder jemand, der sein Fähnchen nach jedem Wind hängt...

Was Peer Steinbrück zu eigen ist, ist also durchaus von Vorteil: Kurze und prägnante Sätze zu formulieren und klare, weil kontroverse Bilder zu erzeugen. Und doch kann dieser Vorteil sich blitzschnell zu einem Nachteil wandeln. Politiker der ersten Reihe stehen genauso wie Top-Manager und Führungskräfte in der Wirtschaft im Fokus der Aufmerksamkeit. Wer für eine Position, die er möglicherweise selber bekleiden wird, in aller Deutlichkeit mehr Gehalt fordert, macht sich unglaubwürdig. Dies umso mehr, wenn die Offenlegung seiner Nebeneinkünfte als Redner seine komfortable finanzielle Situation darlegt, die er sich nicht zuletzt dank vorheriger Bekleidung eines öffentlichen Amtes hatte erarbeiten können.

Solche Aussagen und Verhaltensweisen werden wahrgenommen, gesehen und in einen Gesamtkontext aus Denken, Fühlen und Sprechen desjenigen gestellt, der sie tätigt. Und nicht selten rühren ihre Konsequenzen dann zu Tränen... oder führen in Unternehmen zu Groll gegenüber der Führung, zu innerer Distanz und letztendlich zu kompletter Motivationslosigkeit bei der Mannschaft.

Wie also klare Worte aussprechen, ohne ins Fettnäpfchen zu treten? Wir müssen uns als erste Führungskräfte unserer Verantwortung stellen. Mit anderen Worten uns ständig darüber bewusst sein, was wir sagen und tun. Und eine innere Einstellung entwickeln, die dafür sorgt, dass unser Denken, Reden und Handeln in Übereinstimmung mit allgemeinen Prinzipien („Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“) steht. Nur dann werden wir auch als ehrlich, authentisch und integer wahrgenommen. Und so wollen zweifellos viele Politiker, Unternehmer und Manager gesehen werden.

Und schließlich sei allen, die die Neigung zum Steinbrücken haben, noch Voltaire ans Herzen gelegt: „Alles was du sagst sollte wahr sein, aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen.“ Und das, worüber wir uns dann sehr bewusst zu sprechen entscheiden, darf selbstverständlich im Klartext geäußert werden.