Loben statt toben – Sind wir denn alle be-Klopp-t?

Dieses wutzverzerrte Gesicht! Diese zähnefletschende Grimasse! Diese beinahe blutunterlaufenen Augen! Und dazu der hässliche Ausdruck um einen lauthals geifernden Mund!

Wie kann es sein, dass ansonsten professionell agierende Menschen unter bestimmten Umständen sich plötzlich wie Primaten werden und ihr Gegenüber ungezügelt angreifen? Was bringt etwa einen erfolgreichen Fussballtrainer dazu, sich am Spielfeldrand wie ein schwachsinniger Hampelmann zu benehmen? Selbst in darauf folgenden Interviews geht er die Journalisten noch an und später versucht er die auferlegte Geldstrafe oder den Platzverweis gutzureden oder das eigene Verhalten sogar noch zu verharmlosen.

Im Allgemeinen reden wir von: „die Beherrschung verlieren“, „sich nicht im Griff haben“, „die Zügel aus der Hand geben“. In meinen Augen setzt bei uns Menschen in diesen Momenten unser hart erarbeitetes Bewusstsein für ein zivilisiertes Sozialverhalten aus. Wir lassen unser tiefstes Inneres, unsere Reflexe und das jedem Leben zugrunde liegende „Tier in uns“ die Kontrolle übernehmen!

Warum verhalten wir uns oft auf diese Weise? Das alles geschieht aus meiner Sicht aus tiefster unbewusster Angst. Es ist die Angst vor Dingen, die passieren oder passieren könnten, über die wir keine Kontrolle mehr haben oder die unserem Einfluss scheinbar entzogen sind. Fussballtrainer gibt es zuhauf, die sich am Spielrand so verhalten. Fans ebenso. Und nicht nur im Fussball sehen wir dieses Verhalten.

Wo liegen die Parallelen mit uns Managern? Was haben Fußballtrainer und Manager gemeinsam?

Beide sind diejenigen – oder sollten diejenigen sein- , die Menschen führen, Ziele mit einem Team erreichen, sich eine Vorstellung davon machen, was erreicht werden soll – und vielfach auch noch auf welche Art. Führungskräfte sind oftmals Fachleute, haben Wissen angehäuft und verfügen oft über eine Menge Erfahrung. Viele von uns geben alles, um ihre Ziele zu erreichen! Wir wählen unsere Leute für das Team aus, bilden diese vielleicht auch noch selbst aus. Wir zeigen, wie es zu funktionieren hat, regeln, arrangieren, planen, machen. Dafür setzen wir eine Menge unserer Lebenszeit ein. Wir machen viele Überstunden, vernachlässigen Familie und Freunde, Sport und Freizeit sowieso. Und im Urlaub sind wir auch noch erreichbar, weil wir ja wichtig sind für alle möglichen Dinge, die passieren könnten. Wir haben, wie gesagt, unsere Vorstellung darüber, wie und was zu laufen hat.

Aber dann passiert es! Wir werden mit Realitäten konfrontiert, die unserer Vorstellung widersprechen. Dann sehen wir „schwarz“, nur noch das Negative. Wir sehen die Felle davon schwimmen und fangen an uns zu verhalten, wie... siehe oben!

Wie sehen die Folgen davon oftmals aus? Bleiben wir beim Vergleich mit dem Fussball. Beherrschung verlieren geht beinahe immer einher mit einer weniger guten Performance. Ein Tor des Gegners, gefolgt von wütenden Schreien auf dem Spielfeld und des Trainers. Plötzlich läuft der Sturm blind durch die Gegend. Zusammenspiel ade. Eingeübte Spielzüge – vergessen. Ein Fehler nach dem anderen unterläuft der Mannschaft, Fouls werden als letztes Mittel eingesetzt, um den Gegner noch zu bremsen und die Zuschauer sehen dem Ende mit Schrecken entgegen. Ziel nicht erreicht. Hängende Köpfe, Demotivation. Wenn es ganz dumm läuft, bleibt diese auch noch über Wochen, Monate bestehen. Manche Trainer, Geschäftsführer und Vorstände treten dann auch noch vor die Kamera und vermitteln den Eindruck, sie hätten allen Mut fahren lassen: Mundwinkel nach unten, öffentliche Schelte für die eigenen Mannen und Fehlersuche bei den anderen.

Diese Entwicklungen lassen sich parallel auch in vielen Unternehmen wiederfinden. Die Folge davon ist, dass Projekte nicht erfolgreich umgesetzt, Umsatzziele nicht erreicht werden, die Motivation sinkt, Unlust einsetzt, Burnouts vermehrt auftreten und die inneren Kündigungen sich häufen. Dies wiederum hat zur Folge, dass Projekte nicht richtig umgesetzt werden, Umsatzziele nicht erreicht werden, die Motivation sinkt... Ein Teufelskreis!

Vor einiger Zeit erzählte mir ein Manager, dass seine Teams und er regelmäßig extrem komplizierte Projekte aufsetzen und für das Live verantwortlich sind. Es handelt sich um Menschen von hoher Professionalität, alle sind sehr erfahren. Die Projekte sind dementsprechend im Vorfeld analysiert, geplant, werden kontrolliert und zum Abschluss gebracht. Und doch, trotz aller Vorbereitung und engagierter Durchführung gelingt es nicht, das Runde ins Eckige zu bringen. Er sagte dann etwas Bemerkenswertes: „Ich bleibe in solchen Momenten ruhig. Meiner Ansicht nach brächte meine negative emotionale Reaktion das Team nur dazu, noch weitere Fehler zu machen. Ich beschränke mich darauf, auf die positiven Aspekte hinzuweisen und so den weiteren Verlauf nicht zu gefährden. Ich lobe selbst das eine oder das Andere. Im Nachlauf dann, wenn wir zusammensitzen und unsere Analyse machen, ist die Zeit gekommen meine Leute - die genau wissen, was alles nicht gut gelaufen ist - zu fragen, was sie machen werden, damit sowas nicht mehr passieren kann.“ Er nannte es loben statt toben.

Tatsächlich gibt es auch Fussballtrainer, die solches Verhalten am Spielfeldrand beherzigen. Peb Guardiola ist meiner Meinung nach ein solcher. Mit welcher Folge? Die Bayern sind Deutscher Meister. Schon lange vor der Ziellinie!

Und was heißt das jetzt alles für Sie? Ich empfehle Ihnen, sich nicht von Ihren Emotionen, von Ihrem „Tier“ übermannen zu lassen. Egal, was gerade passiert. Konzentrieren Sie sich lieber auf die Dinge, die (noch) gut laufen. Benennen Sie diese. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter oder Teamkollegen mit Lob und Komplimenten zu noch besserer Leistung und sprechen Sie die kritischen Punkte im Nachhinein an - im stillen Kämmerchen, manches Mal am Besten sogar unter vier Augen. Fordern Sie dann Verbesserung für das nächste Mal. Und dann schauen wir mal, wie viel einfacher das Runde in das Eckige kommt!